Veröffentlicht am März 15, 2024

Viele denken, der Wechsel von Bremsbelägen sei eine simple mechanische Aufgabe. Die Wahrheit ist: Die kleinste Nachlässigkeit kann zum Totalausfall der Bremse führen.

  • Verglaste Bremsbeläge können neu aussehen, aber keinerlei Bremswirkung entfalten.
  • Ein vergessener Sicherungssplint ist ein direktes, lebensgefährliches Risiko.
  • Der falsche Reifendruck kann die beste Bremsanlage wirkungslos machen.

Empfehlung: Behandle jeden Bremsen-Service als vollständige Systemdiagnose, nicht nur als simplen Teiletausch.

Jeder ambitionierte Hobbyschrauber kennt das Gefühl: Man schaut auf die Rechnung der Fahrradwerkstatt und denkt sich: „Das kann ich doch auch selbst.“ Gerade beim Thema Bremsen scheint die Aufgabe auf den ersten Blick klar: Alte Beläge raus, neue rein, fertig. Anleitungen gibt es im Internet zuhauf. Man will Kosten senken, die Technik des eigenen Rads verstehen und das befriedigende Gefühl genießen, etwas mit den eigenen Händen repariert zu haben. Das ist ein ehrbarer Ansatz, den ich als Meister absolut unterstütze.

Doch hier liegt die entscheidende Falle, in die viele tappen. Sie verwechseln den Austausch von Teilen mit einer fachgerechten Wartung. Die üblichen Ratschläge kratzen nur an der Oberfläche. Sie zeigen dir, welche Schraube du lösen musst, aber nicht, was der Zustand dieser Schraube über das gesamte System aussagt. Sie sagen dir, du sollst die Kolben zurückdrücken, aber nicht, woran du einen festsitzenden Kolben erkennst, der später die ganze Bremse blockieren kann. Die wahre Kunst und die absolute Notwendigkeit bei der Bremsenwartung ist nicht die Mechanik, sondern die Diagnose.

Was also, wenn der wahre Wert einer professionellen Wartung nicht im Tauschen der Teile liegt, sondern im Erkennen der unsichtbaren Gefahren? Wenn es darum geht, die Zeichen zu deuten, die ein Laie übersieht? In diesem Artikel übernehme ich die Rolle deines Mentors aus der Werkstatt. Ich zeige dir nicht nur die Handgriffe, sondern schärfe deinen Blick für die kritischen Details. Wir werden die häufigsten und gefährlichsten Fehler analysieren, die aus Unwissenheit passieren. Ziel ist es, dass du nicht nur lernst, wie man Bremsbeläge wechselt, sondern dass du die Verantwortung verstehst, die mit diesem sicherheitskritischen Eingriff einhergeht. Denn am Ende entscheidet dein Wissen, ob du wirklich Geld sparst oder fahrlässig deine Sicherheit aufs Spiel setzt.

Dieser Leitfaden ist daher in acht kritische Bereiche unterteilt, die weit über eine einfache Wechselanleitung hinausgehen. Er wird dir die Augen für die wahren Risiken öffnen und dir das nötige Wissen an die Hand geben, um eine fundierte Entscheidung zu treffen: selbst machen oder den Profi ranlassen.

Warum sieht der Belag noch gut aus, ist aber trotzdem verglast?

Dies ist einer der trügerischsten und gefährlichsten Fehler, den ein Hobbyschrauber machen kann: Du inspizierst deine Bremsbeläge, siehst noch reichlich Belagstärke und entscheidest, dass alles in Ordnung ist. Doch bei der nächsten steilen Abfahrt stellst du fest, dass die Bremswirkung katastrophal schlecht ist. Das Phänomen nennt sich Verglasung und ist ein stiller Killer der Bremsperformance. Es entsteht, wenn die Beläge über längere Zeit nur leicht schleifen, ohne dass hoher Druck und damit hohe Temperaturen entstehen. Die Oberfläche wird quasi poliert statt abgerieben.

Aus meiner Werkstatterfahrung ist das ein typisches Problem bei Fahrern, die ihre Bremse permanent leicht ziehen lassen, statt kurz und kräftig zu bremsen. Die Oberfläche des Belags verhärtet sich durch die geringe, aber stetige Hitzeentwicklung. Wie ein Praxisfall aus dem Schwarzwald dokumentiert, fühlt sich ein verglaster Belag spiegelglatt an und schimmert im Licht, anstatt matt und rau zu sein. Dieser Zustand reduziert den Reibwert dramatisch und führt oft zu lautem Quietschen und Vibrationen, da der Belag über die Scheibe rutscht, anstatt zu greifen.

Die reine Belagstärke sagt also nichts über die Funktionsfähigkeit aus. Ein Belag kann 90 % seiner Dicke haben und trotzdem unbrauchbar sein. Bevor du also entscheidest, einen Belag weiterzuverwenden, musst du ihn auf Verglasung prüfen. Ein einfacher Fingernageltest kann erste Hinweise geben: Fährt der Nagel widerstandslos über die Oberfläche, ist Vorsicht geboten.

Plan zur Rettung verglaster Beläge

  1. Diagnose: Baue die Bremsbeläge aus. Betrachte die Oberfläche im Licht. Wenn sie glänzt und sich spiegelglatt anfühlt, ist sie verglast.
  2. Aufrauen: Lege ein Stück Schleifpapier (Körnung 100-150) auf eine absolut ebene Fläche. Führe den Bremsbelag mit leichtem Druck in kreuzenden Bewegungen darüber.
  3. Gleichmäßigkeit prüfen: Der Belag muss dabei absolut plan aufliegen. Ein ungleichmäßiger Abtrag, weil du den Belag verkantest, verschlechtert die Bremswirkung später massiv.
  4. Kontrolle: Schleife gerade so viel Material ab, bis die gesamte Oberfläche wieder eine seidenmatte, leicht raue Struktur aufweist und nicht mehr glänzt.
  5. Erneutes Einbremsen: Nach der Montage musst du den Belag neu einbremsen. Führe dazu etwa 20-30 moderate, aber bestimmte Vollbremsungen aus geringer Geschwindigkeit durch, damit sich der Belag wieder perfekt an die Scheibe anpasst.

Dieser Prozess kann einen Belag retten, aber er ist keine Dauerlösung. Wenn ein Belag wiederholt verglast, liegt das Problem oft im Bremsverhalten oder an einem klemmenden Bremskolben, der ein vollständiges Lösen der Bremse verhindert.

Wie verhindern Sie Luftblasen im ABS-Block beim Entlüften?

Die kurze und unmissverständliche Antwort aus meiner Verantwortung als Meister lautet: Gar nicht. Als Hobbyschrauber solltest du von jedem Fahrrad-ABS-Bremssystem die Finger lassen. Das ist keine Übertreibung, sondern eine ernstgemeinte Sicherheitswarnung. Während das Entlüften einer herkömmlichen hydraulischen Bremse mit dem richtigen Werkzeug und Sorgfalt machbar ist, sind ABS-Systeme eine völlig andere Welt. Sie enthalten komplexe Ventilblöcke und Modulatoren, in denen sich Luft auf eine Weise festsetzen kann, die mit normalen Entlüftungsmethoden nicht zu beheben ist.

Makroaufnahme eines ABS-Blocks am E-Bike mit sichtbaren hydraulischen Leitungen

Die Abbildung zeigt die Komplexität eines solchen ABS-Modulators. Die feinen Kanäle und Ventile im Inneren sind für den Hobbyschrauber eine Blackbox. Gelangt hier Luft hinein, zum Beispiel durch einen unsachgemäßen Entlüftungsversuch oder das vollständige Leeren des Systems, bleibt sie dort gefangen. Im Normalbetrieb merkst du davon vielleicht nichts. Doch im Moment einer ABS-Regelung, also bei einer Vollbremsung auf rutschigem Untergrund, öffnet das System diese Kanäle. Die komprimierbare Luftblase führt zum sofortigen und vollständigen Zusammenbruch des Bremsdrucks. Der Bremshebel fällt bis zum Lenker durch, und du hast null Bremswirkung – genau in dem Moment, in dem du sie am dringendsten brauchst.

Deshalb betonen Experten einstimmig, wie es auch diese Einschätzung zusammenfasst:

ABS-Systeme erfordern spezielle, herstellerspezifische Entlüftungsprotokolle

– Fahrradwerkstatt-Experten, Basierend auf Herstellervorgaben

Diese Protokolle erfordern oft Diagnosegeräte, um die Ventile im ABS-Block in einer bestimmten Sequenz anzusteuern und so die gefangene Luft freizugeben. Ohne dieses Equipment ist eine fachgerechte Entlüftung unmöglich. Zudem erlischt bei unsachgemäßer Wartung nicht nur sofort die Herstellergarantie, sondern bei S-Pedelecs unter Umständen die gesamte Betriebserlaubnis. Das Risiko eines plötzlichen Totalausfalls ist das größte Argument, warum die Wartung von ABS-Bremsen ausschließlich zertifizierten Fachwerkstätten vorbehalten sein muss.

Hier sparst du definitiv am falschen Ende. Die Kosten für einen professionellen Service sind eine geringe Investition im Vergleich zum Risiko eines Unfalls durch selbstverschuldetes Bremsversagen.

Mindestdicke unterschritten: Wann reißt die Scheibe bei Hitzebelastung?

Die Bremsscheibe ist das thermische Herz des Bremssystems. Sie wandelt Bewegungsenergie in Wärme um. Doch ihre Fähigkeit, diese Wärme aufzunehmen und abzugeben, ist direkt an ihre Masse gekoppelt. Fährst du eine Bremsscheibe unter ihre vom Hersteller definierte Mindestdicke, entfernst du nicht nur Material, sondern du reduzierst drastisch ihre thermische Kapazität. Die Scheibe überhitzt schneller, was zu Bremsfading führt. Im Extremfall kann die Materialermüdung durch die ständigen Hitzezyklen in Kombination mit dem Anpressdruck der Beläge zu Spannungsrissen oder sogar zum kompletten Bruch der Scheibe führen.

Die auf der Scheibe eingravierte Mindestdicke (oft „Min. TH 1.5 mm“) ist kein Vorschlag, sondern ein Gesetz. Sie zu unterschreiten ist fahrlässig. Als klare Wechselgrenze für die Beläge, nicht die Scheibe, empfiehlt der ADAC eine Restbelagstärke von 2-3 mm. Die kritische Grenze für die Scheibe selbst hängt stark vom Systemgewicht und der Belastung ab, wie die folgende Tabelle verdeutlicht. Eine Standard-Scheibe an einem leichten Fahrrad hat ganz andere Toleranzen als eine an einem voll beladenen E-Lastenrad.

Thermische Belastung nach Systemgewicht
Systemgewicht Bremsscheibentyp Kritische Temperatur Empfohlene Mindestdicke
90 kg (Fahrer + Rad) Standard 160mm 400°C 1,5 mm
150 kg (Lastenrad beladen) 203mm verstärkt 550°C 1,8 mm
200 kg (E-Lastenrad voll) 203mm 4-Kolben 650°C 2,0 mm

Die Tabelle zeigt: Mit steigendem Gewicht und somit höherer Bremslast steigen die Temperaturen und die Anforderungen an die Materialstärke. Eine um nur 0,2 mm zu dünne Scheibe an einem schweren Lastenrad kann bei einer langen Abfahrt den Unterschied zwischen einer sicheren Ankunft und einem katastrophalen Versagen bedeuten. Die Hitze kann sich nicht mehr schnell genug im Material verteilen, es kommt zu lokalen Überhitzungen, die das Materialgefüge schwächen und Risse initiieren. Ignoriere niemals die Verschleißanzeige deiner Bremsscheibe.

Ein Messschieber ist für einen ambitionierten Schrauber eine sinnvolle Investition. Miss die Dicke deiner Bremsscheibe an mehreren Stellen. Sobald die Mindestdicke erreicht oder unterschritten ist, gibt es keine Diskussion: Die Scheibe muss getauscht werden.

Das Risiko vergessener Sicherungssplinte, das lebensgefährlich ist

Wir sprechen hier über ein Bauteil, das wenige Cent kostet, aber über Leben und Tod entscheidet: der Sicherungssplint oder die Belaghalteschraube. Seine einzige Aufgabe ist es, zu verhindern, dass sich die Bremsbeläge aus dem Bremssattel lösen können. Dieser kleine Metallstift ist das letzte Glied in der Sicherheitskette. Ihn zu vergessen, falsch zu montieren oder einen alten, verbogenen Splint wiederzuverwenden, ist eine der gefährlichsten Nachlässigkeiten bei der Bremsenwartung.

Stell dir folgendes Szenario vor: Du hast deine Beläge gewechselt und in der Eile den Splint vergessen. Die Beläge werden nur durch die leichte Spannung der Spreizfeder an Ort und Stelle gehalten. Bei der Fahrt über Kopfsteinpflaster oder einen Bordstein vibrieren sich die Beläge aus dem Bremssattel. Im nächsten Moment ziehst du den Bremshebel, aber die Kolben drücken ins Leere. Die Konsequenzen sind unvorstellbar. Wie ein hypothetischer Fall aus München am Isar-Radweg illustriert, kann der Verlust der Beläge während der Fahrt passieren und unterstreicht die absolute Notwendigkeit von Gründlichkeit.

Detailaufnahme eines Sicherungssplints am Bremssattel mit Werkzeug

Das Bild zeigt den entscheidenden Moment: die Montage des Sicherungselements. Dieser Schritt erfordert volle Konzentration. Es ist unerlässlich, alle Kleinteile, die du demontierst, sicher aufzubewahren. Oft sind bei neuen Belägen keine neuen Sicherungselemente dabei. Nach der Montage des Führungsbolzens oder der Halteschraube (mit dem vom Hersteller vorgeschriebenen Drehmoment, oft nur 6-8 Nm!) muss der Splint eingesetzt und seine Enden sauber aufgebogen werden, sodass er sich nicht von selbst lösen kann. Er darf dabei aber nicht so stark verbogen werden, dass das Material ermüdet. Ein Splint ist im Grunde ein Einwegartikel. Wenn er Anzeichen von Korrosion oder Materialermüdung zeigt, ersetze ihn.

Führe nach jeder Bremsenwartung einen „Vor-Flug-Check“ durch: Ziehe im Stand fest am Bremshebel und versuche, die Beläge mit einem dünnen Werkzeug seitlich zu bewegen. Sie dürfen absolut kein Spiel haben. Erst dann beginne eine vorsichtige Probefahrt in sicherer Umgebung.

Wann haben neue Beläge ihre volle Reibkraft erreicht?

Ein weit verbreiteter Irrtum ist die Annahme, dass neue Bremsbeläge sofort ihre volle Leistung erbringen. Das ist falsch und gefährlich. Frische Beläge und eine (neue oder gebrauchte) Bremsscheibe sind mechanisch noch nicht aufeinander abgestimmt. Ihre Oberflächen passen nicht zu 100 % zueinander. Außerdem befindet sich auf neuen Belägen oft eine dünne Schutz- oder Produktionsschicht. Der Prozess, bei dem sich Belag und Scheibe aneinander anpassen und eine optimale Reibschicht aufbauen, nennt sich „Einbremsen“ oder „Bedding-in“.

Wird dieser Schritt ausgelassen, führt das nicht nur zu einer anfangs schlechten Bremsleistung, sondern kann die neuen Beläge direkt ruinieren. Bei der ersten starken Bremsung ohne Einbremsprotokoll kann es zu einer ungleichmäßigen Überhitzung kommen, die den Belag sofort verglast. Das Ergebnis: Du hast neue Beläge montiert, die nach einer einzigen Bremsung bereits unbrauchbar sind. Das richtige Einbremsen ist ein kontrollierter Prozess, bei dem durch wiederholte Bremsvorgänge Material vom Belag auf die Scheibe übertragen wird. Es bildet sich eine hauchdünne, gleichmäßige Schicht, die den Reibwert optimiert.

Die Dauer und Art des Einbremsens hängt stark vom Belagtyp ab, der wiederum zum Nutzungsprofil passen sollte. Ein Stadtpendler in Berlin hat andere Anforderungen als ein Alpenüberquerer. Wie eine Analyse deutscher Nutzungsprofile zeigt, gibt es hier deutliche Unterschiede.

Belagtypen für deutsche Nutzungsprofile
Nutzungsprofil Empfohlener Belagtyp Einbremszeit Haltbarkeit
Stadtpendler Berlin Organisch/Resin 30-50 km 5000+ km
Alpenüberquerer Sintermetall 50-100 km 3000 km
E-Biker Mittelgebirge Semi-metallisch 40-60 km 4000 km

Ein wissenschaftlich fundiertes Einbrems-Protokoll sieht wie folgt aus: Suche dir eine freie, leicht abschüssige Strecke. Beschleunige auf eine moderate Geschwindigkeit (ca. 25 km/h) und bremse bestimmt, aber nicht blockierend, auf Schrittgeschwindigkeit (ca. 10 km/h) ab. Wichtig: Niemals bis zum Stillstand bremsen! Dies würde zu punktuellen Materialanhäufungen auf der heißen Scheibe führen und Vibrationen verursachen. Wiederhole diesen Vorgang etwa 10 Mal, lege eine kurze Abkühlphase von einigen Minuten ein und wiederhole die Serie mit steigender Intensität. Erst danach ist die Bremse bereit für den vollen Einsatz.

Nimm dir die Zeit für diesen Schritt. Es sind 15 Minuten, die über die gesamte Lebensdauer und Performance deiner neuen Bremsbeläge entscheiden.

Wann müssen Sie auf Rennbremsflüssigkeit wechseln, um Fading zu verhindern?

In den Foren und an den Stammtischen der Hobbyschrauber geistert immer wieder der Mythos der „Rennbremsflüssigkeit“ (z.B. DOT 5.1 statt des üblichen DOT 4) als Allheilmittel gegen Bremsfading. Fading, also der Nachlass der Bremskraft durch Überhitzung, ist ein ernstes Problem, besonders bei langen Abfahrten. Die Hitze von der Scheibe überträgt sich auf die Bremsflüssigkeit. Ist Wasser in der Flüssigkeit gebunden (was normal ist, da sie hygroskopisch ist), verdampft dieses bei ca. 100°C zu Dampf. Dampf ist komprimierbar – die Folge ist der gefürchtete Totalausfall, bei dem der Bremshebel ins Leere geht.

Rennbremsflüssigkeiten haben einen höheren Siedepunkt und scheinen daher die logische Lösung. Doch die Medaille hat eine Kehrseite, die oft übersehen wird. Wie Bremsenexperten warnen, ist die höhere Leistungsfähigkeit oft mit einer deutlich höheren Hygroskopie verbunden. Das bedeutet, eine DOT 5.1-Flüssigkeit zieht schneller und mehr Wasser als eine DOT 4. Sie altert also viel schneller. Während man eine DOT 4-Flüssigkeit im Fahrradbereich etwa alle zwei Jahre wechseln sollte, kann eine DOT 5.1 bereits nach wenigen Monaten so viel Wasser gezogen haben, dass ihr Siedepunkt unter den einer frischen DOT 4 fällt.

Der Einsatz von Racing Fluid ist daher nur in einem extremen Nischenbereich sinnvoll: im professionellen Downhill-Rennsport, wie bei Cup-Rennen im Bikepark Winterberg, wo die Bremse permanent am Limit arbeitet und die Flüssigkeit vor jedem Rennwochenende getauscht wird. Für 99% aller Radfahrer, selbst für anspruchsvolle Touren in den Alpen, ist eine hochwertige, frische Standard-DOT-4-Flüssigkeit die bessere und wartungsärmere Wahl.

Eine weitaus effektivere und praxistauglichere Methode zur Steigerung der Standfestigkeit ist oft der Umbau auf größere Bremsscheiben, beispielsweise von 160 mm auf 180 mm oder sogar 203 mm. Die größere Oberfläche kann deutlich mehr Wärme abgeben und verschiebt den Punkt des Fadings effektiv nach hinten. Dieser Umbau ist bei vielen Gabeln und Rahmen mit einfachen Adaptern möglich und bringt einen nachhaltigeren Vorteil als der kurzlebige Effekt einer exotischen Bremsflüssigkeit.

Bevor du also über teure Spezialflüssigkeiten nachdenkst, stelle sicher, dass deine Bremse perfekt entlüftet ist, die Beläge zum Einsatz passen und die Scheibengröße für dein Systemgewicht und dein Fahrprofil ausreichend dimensioniert ist. Das ist professionelle Systemoptimierung.

Wann müssen die Bremsen beim Lastenrad gewechselt werden: Die 3 Warnsignale

Ein Lastenrad ist kein normales Fahrrad. Es ist ein Nutztier. Ob du deine Kinder zur Kita fährst oder den Wocheneinkauf transportierst, die Belastungen für das Bremssystem sind enorm. Eine typische Belastung in deutschen Städten erreicht schnell 200 kg Gesamtmasse bei einem voll beladenen Rad. Diese Masse bei einer Gefahrenbremsung sicher zum Stehen zu bringen, fordert der Bremse alles ab. Der Verschleiß ist dementsprechend um ein Vielfaches höher als bei einem normalen Fahrrad. Als Besitzer eines Lastenrads trägst du eine besondere Verantwortung und musst die Warnsignale eines verschleißenden Systems frühzeitig erkennen.

Weitwinkelaufnahme eines Lastenrads in Stuttgart mit Fokus auf die Bremsanlage

Gerade in hügeligen Städten wie Stuttgart, wie im Bild dargestellt, wird die Bremse zum wichtigsten Bauteil überhaupt. Es gibt drei kritische Warnsignale, bei denen du sofort handeln musst:

  1. Der wandernde Druckpunkt: Du musst den Bremshebel immer weiter ziehen, bis eine Wirkung eintritt. Dies ist das klassische Zeichen für abgenutzte Beläge. Die Kolben müssen weiter ausfahren, um den Abstand zur Scheibe zu überbrücken. Ignorierst du dieses Signal zu lange, kann der Kolben im Extremfall so weit ausfahren, dass er aus seiner Dichtung kippt – mit sofortigem Druckverlust als Folge.
  2. Sichtbare Verfärbung der Bremsscheibe: Wenn deine Bremsscheibe bläuliche oder violette Anlauffarben zeigt, ist das ein unmissverständliches Zeichen für massive Überhitzung. Das Material wurde thermisch überlastet. Das kann nicht nur die Scheibe selbst schwächen, sondern auch die umliegenden Komponenten wie die Bremskolben und Dichtungen beschädigen und die Bremsflüssigkeit zum Kochen bringen.
  3. Lautes, metallisches Schleifen und Klirren: Wenn du dieses Geräusch hörst, ist es bereits zu spät. Das ist nicht das normale Quietschen, sondern ein aggressives, schabendes Geräusch. Es bedeutet, dass der Belag komplett abgenutzt ist und die metallene Trägerplatte des Belags direkt auf der Bremsscheibe reibt. Manchmal wird sogar die Spreizfeder zwischen den Belägen in die Scheibe gezogen. Das zerstört nicht nur die Bremsscheibe in kürzester Zeit, sondern bietet auch so gut wie keine Bremswirkung mehr.

Prüfe die Bremsen deines Lastenrads wöchentlich. Ein kurzer Blick auf die Belagstärke und ein Test der Bremswirkung im Stand sollten zur Routine werden. Angesichts der hohen Verantwortung ist hier der Gang zur Fachwerkstatt bei geringstem Zweifel immer die richtige Entscheidung.

Das Wichtigste in Kürze

  • Diagnose vor Austausch: Prüfe Beläge immer auf Verglasung und Scheiben auf ihre Mindestdicke, bevor du entscheidest, sie weiterzuverwenden.
  • Respekt vor dem System: Finger weg von ABS-Bremsen. Die Entlüftung ist ohne Spezialwerkzeug unmöglich und das Risiko eines Totalausfalls zu hoch.
  • Sicherheit in den Details: Ein vergessener Sicherungssplint oder eine lockere Halteschraube sind keine Kavaliersdelikte, sondern lebensgefährliche Fehler.

Luftdruck bei Beladung: Warum 0,2 bar über Leben und Tod entscheiden?

Wir haben nun intensiv über Beläge, Scheiben und Flüssigkeiten gesprochen. Doch die beste Bremsanlage der Welt ist nutzlos, wenn die Kraft nicht auf die Straße übertragen wird. Die letzte, oft vernachlässigte Komponente in der Sicherheitskette ist der Reifen – und spezifisch sein Luftdruck. Gerade bei schweren E-Bikes und Lastenrädern ist der korrekte Luftdruck kein Thema für Komfort, sondern ein fundamentaler Sicherheitsfaktor. Ein um nur 0,2 bar zu niedriger Druck kann den Bremsweg dramatisch verlängern und im Extremfall zu katastrophalem Materialversagen führen.

Bei einer Notbremsung mit hohem Systemgewicht „walkt“ ein zu weicher Reifen. Er verformt sich stark, die Aufstandsfläche wird instabil und der Reifen kann die Bremskräfte nicht mehr optimal übertragen. Der Bremsweg verlängert sich signifikant. Noch schlimmer ist die Gefahr beim Überfahren von Hindernissen, wie den leider auf vielen deutschen Radwegen üblichen Schlaglöchern oder Bordsteinkanten. Ein zu geringer Luftdruck kann dazu führen, dass die Felge durchschlägt und bricht. Ein Felgenbruch bei voller Fahrt führt unweigerlich zum Sturz.

Die Herstellerangaben auf dem Reifen sind oft ein breiter Bereich. Für die Praxis bei hoher Beladung musst du dich am oberen Ende dieses Bereichs orientieren. Die folgende Tabelle, basierend auf Erfahrungswerten mit in Deutschland weit verbreiteten Reifen, gibt eine Orientierung:

Luftdruck-Tabelle für deutsche Verhältnisse
Systemgewicht Reifentyp Empfohlener Druck Kritische Untergrenze
80 kg Schwalbe Marathon Plus 28″ 5,5 bar 5,0 bar
120 kg (E-Bike) Schwalbe Marathon Plus 28″ 6,5 bar 6,0 bar
180 kg (Lastenrad) Schwalbe Marathon Plus 20″ 7,5 bar 7,0 bar

Die Bremsanlage ist nur ein Teil eines komplexen Sicherheitssystems. Warum 0,2 bar über Leben und Tod entscheiden können, zeigt, wie wichtig eine ganzheitliche Betrachtung ist.

Nimm dir diese Punkte zu Herzen. Deine Sicherheit und die der anderen hängt von deiner Sorgfalt ab. Eine gute Standpumpe mit Manometer ist eine der besten Investitionen in deine Sicherheit. Prüfe den Druck mindestens einmal pro Woche. Schraube mit Verstand und Respekt vor der Technik, denn nur so wird aus dem Wunsch, Geld zu sparen, eine wirklich sichere und nachhaltige Praxis.

Geschrieben von Karl Schmied, Zweiradmechanikermeister mit eigener Werkstatt und 25 Jahren Erfahrung. Spezialist für Wartung, Restauration und Fahrwerkstechnik an Motorrädern und PKW.